Egal welche Sportart du betreibst, Koordination ist die Voraussetzung für die Umsetzung aller deiner motorischen Fähigkeiten und somit ein zentraler Baustein zur Verbesserung der sportlichen Leistung. Die Qualität deiner sportartspezifischen Bewegungsabläufe hängt wesentlich vom Zusammenspiel von Sinnesorganen, Zentralnervensystem und Muskulatur ab. Eine Möglichkeit, diese Zusammenarbeit effizienter und leistungsfähiger werden zu lassen, stellt das Sensomotorische Training (SMT) dar.
Das SMT verbessert in einer herausfordernden, abwechslungsreichen und effektiven Weise die koordinativen Fähigkeiten. Ziele des SMT sind u.a. die Wiederherstellung bzw. Verbesserung der aktiven Gelenkstabilität, der Bewegungsqualität, der Rumpfstabilisierung, der Kraftentwicklung, sowie der Schnellkraft und der Schnelligkeit. Im Wesentlichen zielt SMT jedoch auf eine verbesserte neuromuskuläre Ansteuerung und eine optimierte Bewegungs- und Haltungskontrolle ab. Dies erreicht SMT durch eine Verstärkung der Beanspruchung sensorischer Feedbacksysteme und eine hohe Stimulation zentralnervöser Integrationsprozesse.
In den letzten Jahrzehnten haben sich verschiedene präventive, rehabilitative und leistungssteigernde Trainingskonzepte zur sensomotorischen Schulung etabliert. Sie alle verfolgen das Ziel, durch eine verstärkte Beanspruchung sensorischer Prozesse, die Bewegungsqualität und Bewegungssicherheit zu erhöhen (Stehle, 2009b). Hierbei gilt es vor allem, die Kompensation von äußeren Störungen des Gleichgewichts sowie vom Körper selbst verursachte Gleichgewichtsänderungen zu trainieren (Zech & Hübscher, 2012).
Inhaltlich umfasst das SMT, welches in der Literatur auch unter den Begriffen des propriozeptiven und neuromuskulären Trainings zu finden ist, verschiedene balance- und gelenkstabilisierende Übungen, die auch mit kräftigenden, plyometrischen, sowie Gewandtheitsübungen kombiniert werden können (Granacher et al., 2010, Hübscher et al., 2010, Zech et al., 2009, Zech & Hübscher, 2012).
Die Gleichgewichtsübungen werden dabei in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen mit dynamischen Bewegungen gegen Widerstände oder Halteübungen kombiniert. Die Hinzunahme von Thera-Bändern, Hanteln oder Seilzügen dient vor allem der Erhöhung der Anforderungen an die Sensomotorik. Das SMT wird wie das Training konditioneller Fähigkeiten (u.a. Ausdauer, Kraft) durch Reizintensität, Reizdichte, Reizdauer, Reizumfang und Trainingshäufigkeit gesteuert.
Zur optimalen Belastungsgestaltung des SMT existieren bis heute keine einheitlichen wissenschaftlichen Vorgaben (Garber et al., 2011; Granacher et al., 2010). Jedoch können aus den vorliegenden Ergebnissen und den Empfehlungen des American Colleges of Sports Medicine Belastungsempfehlungen für Athleten und Trainer abgeleitet werden (Chodzko-Zajko et al., 2009; Garber et. al., 2011; Granacher et al., 2010).
Wie könnte nun konkret eine solche Trainingseinheit für die Sensomotorik aussehen? Einer 10-minütigen allgemeinen Erwärmung folgen 5 Minuten Mobility und neurozentrierte Übungen. Anschließend wählst du dir 2 bis 10 passende Übungen aus, die vorrangig die Sensomotorik schulen. Klassiker sind beispielsweise der Einbeinstand, Einbeinstand auf einem wackeligen Untergrund, das Sitzen, Liegen oder auch Stehen auf einem großen Fitnessball oder auch das „Surfen“ auf einem Balance-Brett. Diese Übungen führst du dann jeweils für 20-40 Sekunden aus, bevor eine Pausierung von ebenfalls 20-40 Sekunden folgt und du diesen Ablauf (Übung + Pause) 1-10-mal wiederholst. Bevor du zur nächsten Übung wechselst, pausierst du 30 Sekunden bis 5 Minuten (Pause zwischen den Übungen). Den Abschluss einer solchen 15 bis 45 Minuten dauernden Trainingseinheit bildet ein 5 bis 10-minütiges Cool-Down.
Die Reizintensität sollte individuell fordernd und an die persönlichen Bedürfnisse angepasst werden. Die effektivste Trainingshäufigkeit liegt bei 2-3-mal pro Woche. Zech und Hübscher (2012) empfehlen eine Mindestintensität von zwei Trainings à 10 Minuten pro Woche und konstatieren außerdem, dass die Trainingsprogramme mindestens 3 Monate andauern sollten.
Praktisch sollte die Belastungssteuerung beim SMT über eine Modifikation der Feedbackmechanismen und eine Veränderung der externen Anforderungen stattfinden (Neumaier, 1999). Als Feedbackmechanismen kommen das optische (Augen auf/zu), taktile (barfuß, unterstützende Berührungen), kinästhetische (Steigerung des Bewegungstempos und –umfangs) und vestibuläre (Kopfhaltung, Rotationen) Feedback in Frage. Als mögliche Anforderungen kommen die Variation der Präzision (Ausführungsqualität), die Variation der Übungskomplexität (Simultanbewegungen, Dual Task-Aufgaben) und die Variation der Belastung (Zusatzgewichte, Erhöhung der Ausführungsdauer/Wiederholungsanzahl) in Betracht.
In der Praxis funktioniert das über die Erhöhung oder Verringerung der Untergrundstabilität (Zech & Hübscher, 2012). Hierzu kann beispielsweise über den Wechsel vom beidbeinigen Stand in bspw. den einbeinigen Stand die Unterstützungsfläche reduziert werden (ebd.). Aber auch der Einsatz von unterschiedlich stabilen Unterlagen, wie Weichbodenmatten, Wackel- oder Kippbrettern, Kreiseln oder Rollbrettern setzt vermehrte Instabilitätsanforderungen (ebd.). Das Balancieren mit geschlossenen oder offenen Augen verändert zusätzlich die Informationsbedingungen durch Wegfallen/Hinzufügen des optischen Feedbacks. Die Zusatzaufgaben, insbesondere willkürliche Komplexbewegungen, wie einen Gegenstand zu werfen und zu fangen, lenken zusätzlich die Aufmerksamkeit auf andere motorische Anforderungen (ebd.). Übungsgeräte und Partner können zusätzlich plötzlich auftretende Störeinflüsse setzen. Die zusätzliche Kombination mit anderen Trainingsschwerpunkten, wie Kräftigungs-, Stabilisations- und Beweglichkeitsübungen bietet sich ebenfalls an.
SMT hat sich als eine effektive Trainingsform in verschiedenen Handlungsfeldern von Sport und Bewegungstherapie etabliert und wird zur Rehabilitation akuter und chronischer Gelenkschmerzen sowie Bewegungsstörungen in der Verletzungs- und Sturzprävention und zur Leistungssteigerung im Sport eingesetzt. Wackeln, Kippeln, Balancieren – das Spiel mit dem Gleichgewicht – sollte daher ein wichtiger Baustein auch deines Trainingsalltags werden.
Autor: Dr. Konrad Smolinski
Literatur
Chodzko-Zajko, W.J., Proctor, D.N., Fiatarone Singh, M.A., Minson, C.T., Nigg, C.R., Salem, G.J. & Skinner, J.S. (2009). Exercise and Physical Activity for Older Adults. Medicine and Science in Sports and Exercise, 41 (7), 1510-1530.
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Zech, A. & Hübscher, M. (2012). Sensomotorisches Training zur Prävention von Sprunggelenksverletzungen. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 63 (1), 5-8.